Omegas Testament oder: Jöjj, Omega! Komm, Omega! … Spiele weiter! Omegafreund Rüdiger & Omegafreund Antje
Omegafreunde.de 2020
Benkö László 12.Juni 1943 - 18.November 2020 Mihály Támás 24.September 1947 - 21.November 2020
Die schlimmsten Tage der Omegafreunde … … waren die Tage des beginnenden Novembers 2020. Es sollte alles so schön werden, das Treffen am 21.November mit dem Motto „15 Jahre Omegafreunde“ in Halle war eigentlich schon in „trockenen Tüchern“, wunderbar vorbereitet und versprach ein Höhepunkt zu werden. Dann trat wieder Corona unerbittlich in den Ring und zwang schon bald zur endgültigen Absage des Treffens. Schnell war eine neue, tolle Idee geboren: Omegafreund Peter Günther plante eine Radiosendung auf rockradio.de für den 22.November ab 18:00 Uhr, er schaffte es sogar noch eine weitere Stunde Sendezeit zu erkämpfen zu der ganz viel von den Omegafreunden erzählt werden und tolle Omegamusik erklingen sollte. Und dann trafen alle Omegafreunde und Omegafans die „Keulenschläge“. Am 18.November erreichte uns die Nachricht vom Tode Lacis und als sollte das nicht schon schlimm genug sein, traf einen Tag vor der Sendung die nächste Hiobsbotschaft ein und dies völlig unvorbereitet: Mihály Támás ist tot!? Was denn, ist die Nachricht echt?, fragten sich viele …. Es sollte die schlimme Wahrheit sein … Dass Laci schon mehrere Jahre mit dem heimtückischen Krebs tapfer kämpfte, wussten eigentlich alle Omegafreunde, aber dass Misi auch Opfer dieser teuflischen Krankheit werden sollte, ahnten wir alle nicht. Bei vielen der Omega-Konzerte , die wir in den letzten Jahren sehen konnten, fiel uns immer auf, dass Laci die Konzerte von der ersten bis zur letzten Sekunde besonders sichtbar genoss und beim Abschlussapplaus konnte man an seiner Mimik und Gestik erahnen, dass er selbst unsicher war, ob er das nächsten Konzert noch spielen konnte. Im September 2019 sahen wir ihn beim Erfurter Konzert so das letzte Mal und nicht nur uns fiel das eben Dargestellte auf. Er war gemeinsam mit Mecky seit 1962 als eines der beiden Gründungsmitglieder der Ur-Omegas stets der auffällig ruhende Pol und maßgebende musikalische Inspirator der Band. In seiner Heimat war er eine lebende Legende und sein Tod führte zu unzähligen Sondersendungen in Funk und Fernsehen, es war, als ob Ungarn der Atem stockte. Viele werden sein stets lächelndes Gesicht an den Tasteninstrumenten, seine sensationellen Soloparts in bester Erinnerung behalten. Spätestens dann, wenn er die auf dem Keybord griffbereite „Russenmütze“ aufsetzte, wussten alle, dass nun endlich „Lena - Russischer Winter“ folgte und das Konzert auf seinen Höhepunkt zusteuerte. Neben seiner prägenden Rolle für die weit über 50 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte von Omega veröffentlichte Laci viele tolle Solo-LP und -CD.
Mihály Támás, genannt Misi und vier Jahre jünger als Laci, kam 1967 gemeinsam mit Gabor Presser zu Omega. Er wird eines der musikalisch prägendsten Mitglieder der Band, komponierte zahlreiche Hits und wurde vom Publikum wohl immer als der „schüchternste“ Omega-Musiker wahrgenommen. Meist im Hintergrund operierend, prägte seine Bassgitarre aber unzählige Omegatitel musikalisch entscheidend. Stammen von den ersten drei Omega-Platten und vom 6. Album (Nem Tudom A Neved) jeweils ein bis zwei Titel von ihm, so sind es auf der 4. Platte (Élö Omega, die berühmten „Alu-LP“) schon 5 von 12 Kompositionen und auf der 5. LP (Omega 5) 9 von 12 Titel, die Misi schuf. Darunter sind zahlreiche Titel, die seit Jahrzehnten bei keinem Omegakonzert fehlen durften. Bereits 1987 veröffentlichte er seine erste eigene LP (Szintetizátor Varázs - Die Magie des Synthesizers) mit Adaptionen von Liszt und Wagner-Melodien, 2012 erschien die CD „Last Minute“ auf der er bei fünf der acht Titel den Gesangspart übernahm und als Gastmusiker Gabor Presser und seine Nachfolgerin am Bass, Kathi Zee, begrüßen konnte. Allen Omegafreunden sei diese CD wärmstens empfohlen, es ist eine gelungene „kleine“ CD mit sehr musikalisch abwechslungsreichen Titeln. Verschiedene Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Band (nachzulesen bei Deutsche Mugge) führten dazu, dass er immer seltener bei Omegakonzerten auftrat. Wir sahen ihn das letzte Mal 2012 zum 50jährigen Omega-Jubiläumskonzert in Budapest. Das Jahr 2015 ist wohl offiziell das erste Jahr Omegas ohne Misi am Bass. Die ungarischen Freunde berichteten, dass er danach in verschiedenen Interviews die musikalische Ausrichtung und manche Entscheidungen der Band sehr kritisch beobachtete.
Geschockt von den Todesnachrichten der beiden Musiker warteten wir alle gespannt auf die Radiosendung des 22. November. Peter war ob seiner Moderatorenrolle nicht zu beneiden, ein riesiges Dankeschön für seine feinfühlige, ruhige Art, diese vier Stunden Sendung wunderbar zu lenken und zu leiten. Das Highlight war die telefonische Zuschaltung von Mecky aus Budapest, der uns Omegafreunden kaum glaubhafte Informationen übermittelte. Mindestens drei Jahre lang fragten wir die Musiker nach jedem Konzert, wann denn die nun immer wieder angekündigte Omega-CD „Testamentum“ erscheinen wird. Die stets ausweichende Antwort lautete „demnächst“. Mecky überraschte uns nun in der Sendung, dass bereits am 26. November die ungarische Fassung in einer Auflagenhöhe von „nur !?“ 22.000 Stück erscheinen werde. Nach einer endlosen scheinenden Pause traute sich Peter nachzufragen, was er mit der ungarischen Fassung meinte und ob es denn noch andere geben werde. Die sensationelle Antwort Meckys war, dass es im Frühjahr 2021 auch eine deutsche Textfassung geben werde, die nur noch eingespielt werden müsse, die englische wäre schon fertig. Alle Omegafans trauten ihren Ohren nicht, eine deutsche Fassung, hatte er sich versprochen? Ein nochmaliges Nachfragen von Peter ergab aber eindeutig die Bestätigung: Ja, es wird eine Fassung mit deutschen Texten geben! Nun begann die Jagd nach der CD. Noch am selben Abend setzte Rüdiger alle möglichen Verbindungskanäle nach Ungarn in Aktion. Und am Samstag, den 28.11. kam per E-Mail die Bestätigung, dass die ersten CD in einer bekannten ungarischen Tankstellenkette gekauft und auf den Postweg gebracht worden waren. Und, man glaubt es nicht, schon am darauffolgenden Dienstag hielt er das erste Schmuckstück in den Händen. Das musste gebührend gefeiert werden, denn eine neue Omega-CD mit ganz neuen Titeln, das hatte es seit 2006 nicht mehr gegeben. Und es war klar, dass musste beim ersten Hören richtig laut sein, alle Regler wurden hoch gedreht.
Omegas Testament Es beginnt mit 2:17 einer schwungvollen neuen Nyitány (Quvertüre), die dann direkt zum zweiten Titel A Föld Árnyékos Oldalán (Auf der Schattenseite der Erde) übergeht. Es folgt A Lángolo Huszadik Szadád (Das flammende 20. Jahrhundert). Und hier ist spätestens den geübten Hörern klar: es ist eine lang vorbereitete, wohl oft auch veränderte und überarbeitete Konzept-Platte. Letztgenannter Titel erinnert mit dem Einsatz des Chores und seiner wuchtigen Komposition an Aufnahmen der Rhapsodie und des Oratoriums. Schon hier ist klar, dass der Titel Programm ist, die Gruppe Omega schrieb ihr musikalisches und episches Testament. 17 Titel sind insgesamt zu hören, fünf davon sind neu eingespielte ältere Songs (1. A Föld Árnyékos Oldalán - 12. LP; 2. Varázslatos, Feher Kö - 4. LP; 3. Huszadik Századi Városlakó - 6. LP; 4. A Holló und 5. A Látogato - beide von der 10. Platte). Sofort war sehr nachhaltig klar, dass dies der geliebte, einmalige Omegasound ist, den wir alle so mögen. Harter Rock mit scharfen Gitarrenriffs neben den einschmeichelnden, weichen Omegamelodien, die auch noch 2020 zu Tränen rühren. CD-Player und Verstärker mussten alles hergeben, ein toller Hörgenuss. Schnell war der Lieblingstitel der neuen CD erkoren: Jöjj, Szabadíto! (ein erster Übersetzungsversuch könnte „Komm, Befreiung!“ lauten). Mit einigen Titeln (z.B: Huszadik Századi Városlakó - Stadtbewohner des 20. Jahrhunderts und A Démon - Der Dämon) nimmt sich die Band jeweils über sechs Minuten Zeit, um die von allen Fans so geliebten Gitarrensoli auszuspielen. Im letzten Teil der Scheibe wird der testamentarische Charakter sehr deutlich. Am Ende von A Démon (Lilith) lacht nach einem weiteren tollem Gitarrensolo sogar der Teufel. In den folgenden Titeln wird nun oft ein Kirchenchor eingesetzt, die Orgel kommt zur Geltung und so etwas wie ein erkennbares Ende wird hör- und sichtbar (Gloria Et Honor Deo - Ruhm und Ehre für Gott, A Látogato - Der Besucher, Légy Hú Magdadhoz! - Traumtheater, Álomszínház - Traumszene und Halotti Beszéd - Begräbnisrede). Dieses geht nahtlos in Utolsó Ítélet - Letztes Urteil, in Glockengeläut über. Eine Band schaut auf ihr Leben und Schaffen zurück, wohl beim Beginn der Arbeiten an der CD nichtahnend, dass man sie zu einem Zeitpunkt veröffentlicht/veröffentlichen musste, an dem zwei Bandmitglieder starben. Hier die gesamte Titelliste mit deutscher Übersetzung und mit Zeitangaben: 1 A Sötétség Kapuja - (Nyitány) Das Tor zur Dunkelheit (Ouvertüre), 2:17 2 A Föld Árnyékos Oldalán Auf der Schattenseite der Erde, 4:23 3 A Lángolo Huszadik Szadád Das flammende 20. Jahrhundert, 3:30 4 Varázslatos, Feher Kö Magischer weiser Stein, 6:15 5 Mennyben Az Angyal Der Engel im Himmel, 3:53 6 Huszadik Századi Városlakó Stadtbewohner des 20. Jahrhunderts, 6:17 7 Jöjj, Szabadíto! Komm, Befreiung!, 3:41 8 Álom XXI. Század Der Traum des 21. Jahrhunderts, 4:25 9 A Holló Der Rabe, 3:40 10 A Démon (Lilith) Der Dämon (Nachtwind), 6:02 11 Ideje A Pontot Kitenni Es ist Zeit, einen Punkt zu machen, 3:11 12 Hangyanep (Szörnyú Porszemek) Ameisenmenschen (Staubkörner), 4:27 13 Gloria Et Honor Deo Ruhm und Ehre für Gott, 3:43 14 A Látogato Der Besucher, 1:00 15 Légy Hú Magdadhoz! Traumtheater, 3:52 16 Álomszínház Traumszene, 2:20 17 Halotti Beszéd Begräbnisrede, 1:36 18 Utolsó Ítélet Letztes Urteil (Glockengeläut), 0:56 Nimmt man die CD als Ganzes in die Hand, so erweckt sie doch den Anschein, dass man am Inhalt viele Jahre intensiv arbeitete, auf den Markt kam sie dann doch sehr schnell. Denn ein paar Dinge könnte man bei einer Nachauflage vielleicht ändern. Gehen die Ouvertüre und der erste Titel noch musikalisch geplant fließend ineinander über, so sind zwischen den anderen Titeln kaum erkennbare Pausen. Das ist doch manchmal störend, denn oft weiß man nicht, ob der letzte Titel nun wirklich ausgespielt wurde, oder ob schon der neue beginnt. Bei einer Gesamtspieldauer von 65:47 Minuten wäre da noch genügend Zeit für größere Pausen. Eine Zeitangabe der einzelnen Titel sucht man so leider auch vergeblich. Für die gesamte Musik und die Kompositionen wird Omega als gesamte Gruppe angegeben, für die Texte Péter Sülyi und András Trunkos, sie sind alle im Booklet abgedruckt. János Kóbor (Mecky) zeichnet als Arrangeur und Toningenieur verantwortlich. Gerne hätte man gewusst, wer die Aufnahmen einspielte, besonders bei den sehr guten Gitarrensoli wäre dies interessant gewesen, ob Tamás Szekeres und Elefant zusammen oder einzeln spielten. Und, vielleicht war es ja so gewollt, dass keinerlei Bild der Band auf das Cover sollte, wir hätten uns da etwas mehr Material u.ä. gewünscht. Ein Hinweis an alle Omegafans: Die CD bietet seit kurzem Buschfunk an (sehr teuer), AzVuk zum angenehmen Preis von 9,99 €. Es ist eine musikalisch sehr abwechslungsreiche Platte, die aber bei jedem Titel eindeutig Omega erkennen lässt. Mecky sagte zwar im Radiointerview, dass er mit der Produktion nicht ganz zufrieden sei, auf Peters Nachfrage ergänzte er aber auch sofort, dass er dies nie sei. Wir Omegafreunde können es aber durchaus sein. Das benannte Radiointerview mit Mecky zeigte ihn natürlich bestürzt und etwas ratlos, wie es mit Omega weitergehen kann. Ein erstes Statement von ihm lautete mit etwas Vorsicht, dass es weiter gehen solle. In den letzten Tagen berichtete die ungarischen Freunde von aktuellen Presseberichten, wonach Omega auf alle Fälle (in neuer, veränderter Besetzung) für das Jahr 2021 Konzerte plane. Alle Omegafreunde in nahe und fern würden sich nichts sehnsüchtiger wünschen, dass dies gelingen und die Legende Omega weiterleben möge. Und dann natürlich im Konzert mit einigen der neuen Titel! „Jöjj, Omega!“ – „Komm, Omega! … Spiele weiter!“.
An dieser Stelle sei klar angemerkt, dass es mich wieder einmal sehr traurig aber auch sehr wütend macht, dass es in Deutschland insgesamt, aber auch im Osten des Landes den einschlägigen öffentlich-rechtlichen wie privaten Medien aller Art keine einzige Meldung wert war, dass diese beiden prägenden Omega-Musiker gestorben waren … Um so wichtiger ist es, dass wir Omegafreunde ihrer gedenken und gegen den „selbstverordneten“ oder fahrlässigen Boykott so vieler Künstler und Gruppen aus dem osteuropäischen Raum etwas tun! Es waren Omega und andere ungarische Bands und eine Rockikone wie Czeslaw Niemen (dessen wichtigsten und besten Titel übrigens Omega sehr gut neu aufnahm!), die der deutschen Rockszene, vor allen Dingen natürlich in der ehemaligen DDR, entscheidende musikalische und stilistische Impulse gaben. Und so ist es eine Schande, dass all dies seit Jahren und Jahrzehnten einfach ignoriert und/oder todgeschwiegen wird.